🌒 Die stille Phase – Clara & Tony (2008–2012)
„Wir trafen uns nicht mehr mit Haut – aber alles in mir kannte ihre noch.“

🪞 Was bleibt, wenn man sich nicht mehr berührt
„Wir trafen uns nicht mehr mit Haut – aber alles in mir kannte ihre noch.“
„Was wir hatten, war nicht sauber. Aber ehrlich.“
🔕 Die Sprache der Stille
Nach dem letzten Sex im Januar 2008 begann eine neue Zeit – ohne Körper, aber nicht ohne Nähe. Keine Berührungen mehr, dafür Worte, Blicke, Gesten. Ein Anruf. Ein Flur. Ein Flohmarkt.
📞 Ein Flüstern nach dem Ende
Sie sprachen weniger. Aber verstanden mehr. Es war kein Ende – sondern ein Ausschwingen. Kein Ficken mehr, aber ein Bleiben in Erinnerung, in Ritualen, in der Art wie dem 25. März.
🕯️ Die stille Phase
In stillen Nächten, wenn der Lärm des Tages verstummt, kommen die Gedanken. Nicht oft. Nur an gewissen Tagen – an Clara.
Was folgt, ist kein Rückblick. Es ist ein Nachhall. Kein Körperkontakt mehr – aber alles vibrierte noch nach. Jeder Ort, jeder Satz, jeder Blick wurde zur Erinnerung. Und diese Erinnerung war nicht weniger echt als ein Orgasmus.
Clara und Tony verloren sich nicht. Sie hörten nur auf, sich zu berühren. Und trotzdem blieben sie – in Andeutungen, in Tagen wie dem 25. März, in einer Brille auf dem Fensterbrett oder einer Tasse Tee, die zu lange stand.
Vielleicht war das sogar der ehrlichste Teil ihrer Beziehung: Ohne Erwartung. Ohne Planung. Nur das, was blieb, wenn nichts mehr nötig war – das Echo von Nähe. Der Schatten eines Gelächters. Ein stummer Dialog zwischen zwei Menschen, die längst alles gesagt hatten – und genau deshalb schwiegen.
Wer glaubt, dass Liebe endet, wenn der Sex endet – hat nie jemanden wirklich behalten.

Dorf – Flohmarkt
👤 Clara (61), Ehemann (63), Tony (51), Tippi (41)
️ Datum & Zeit: Dienstag, 9. Juni
2009, ca. 10:40 Uhr
Ort: Dorfflohmarkt
– zwischen Grundschule und Gemeindehaus, Stände mit Blechspielzeug,
Kaffeekannen, Sommerblusen, Gedränge und Bratfettgeruch
„Was wir hatten, war nicht sauber. Aber ehrlich.“
Clara stand an einem Tisch mit alten Kochbüchern. Ihre Finger ruhten auf einem Einband von 1952. Sie drehte ihn nicht um. Denn sie spürte es längst.
Die Luft veränderte sich. Wie ein Druck hinter der Stirn. Ein Geruch, ein Schatten, eine Bewegung – er war da.
„Hallo, Clara.“
Sie hob den Kopf. Er stand nur einen halben Meter entfernt. Die Stimme war ruhig, trocken. Nicht schuldig. Nicht weich.
„Hallo, Tony.“
Er nickte kaum sichtbar. Neben ihm: Tippi. Sie wirkte offen, neugierig. Ihre Hand auf Tonys Unterarm – nicht dominant, aber vertraut.
„Das ist Tippi.“
Clara blickte die Frau an. Kurz. Zielgenau. Dann nickte sie. „Guten Tag.“
Mehr nicht. Keine ausgestreckte Hand. Keine weitere Frage. Clara hielt den Blick, dann wandte sie ihn wieder Tony zu.
Ihr Ehemann rief vom Stand nebenan: „Clara, schau mal – der Typ hat eine Stehlampe von 1978!“
Sie antwortete ohne Hast: „Ich komme gleich.“
Zurück zu Tony. Sein Blick war ruhig, offen. Nicht flüchtend. Aber sie wusste, was er dachte. Und er wusste, was sie nicht sagen würde.
„Wie geht es dir?“, fragte er leise. Nicht der Satz an sich – aber die Stimme, der Ton, die Erinnerung in der Betonung.
Clara zog die Schultern leicht zurück. „Ich esse gut. Ich schlafe tief. Und ich komme nicht mehr zu spät.“ Ein halbes Lächeln – mehr Mundwinkel als Gefühl.
Tippi sah zwischen den beiden hin und her. Witterte etwas. Spürte, dass es hier eine Geschichte gab, in der sie keine Rolle spielte.
Claras Blick ging noch einmal über Tony. Von der Schläfe zur Schulter. Dann auf seine rechte Hand – die, mit der er sie früher berührt hatte. Und mit der er jetzt Tippi hielt.
„Wir sehen uns sicher nicht wieder.“ Es klang nicht bitter. Nur endgültig.
„Clara …“
„Nein. Bitte.“ Sie hob die Hand. Einmal. Still.
Dann drehte sie sich um. Nahm ihren Korb. Und ging zurück zu ihrem Ehemann, der bereits weitergezogen war – ahnungslos.
Tony sah ihr nach. Lang. Tippi sagte nichts. Aber ihre Finger lösten sich langsam von seinem Arm.
Kein Kuss. Kein Streit. Nur ein Blick, der blieb – länger als jedes Gespräch.
Und zwischen Bücherstapeln, Porzellantellern und altem Emaille lag etwas, das nicht mehr sprach – aber nie schwieg.

Claras Haus – Küche
👤 Clara (62), Tony (52)
️ Datum & Zeit: Sonntag, 25. April
2010, ca. 17:15 Uhr
Ort: Claras Küche
– hell, still, das Fenster halb geöffnet, der Tisch wie
immer: ordentlich, zurückhaltend gedeckt
„Du gehst. Aber ich bleib in dir.“
Der Tee war längst kalt. Aber keiner stand auf.
Clara saß am Tisch, die Hände um die Tasse gelegt, die Schultern ruhig, das Kinn leicht erhoben. Sie trug ein hellgraues Hemdblusenkleid, barfuß, wie oft zu Hause, die Brille rutschte ein wenig tiefer auf den Nasenrücken.
Tony ihr gegenüber. Die Hände gefaltet, die Augen müde. Sein Hemd geöffnet bis zur Brust, kein Sakko, kein Schutz. Nicht mehr.
„Warum bist du gekommen?“ Claras Stimme war weich, nicht vorwurfsvoll.
Er zögerte. Dann: „Ich weiß es nicht. Oder… ich wollte sehen, ob du mich noch ansiehst wie früher.“
Sie nickte. „Tue ich das?“
„Nicht mehr so. Aber du siehst mich. Und das ist mehr als ich gerade brauche.“
Stille.
Der Wind bewegte leicht das Tuch auf dem Tisch. Ein Glas Wasser. Eine Scheibe Zitrone. Zwei Körper, die sich nicht mehr berührten – aber alles spürten.
„Tippi kennt nur dein Jetzt. Ich kenne dich, wenn du schweigst. Wenn du zitterst. Wenn du kommst und lügst.“
Tony hob den Blick. „Und trotzdem hast du mich nie festgehalten.“
„Weil ich dich nicht brauchte, um vollständig zu sein. Aber du brauchst, dass ich dich nie ganz losgelassen habe.“
Er stand langsam auf. Clara folgte nicht.
Er trat an sie heran. Berührte mit zwei Fingern ihren Rücken – vorsichtig, wie ein Blinder, der sich erinnert.
„Wenn ich wüsste, dass du es willst …“ Sie legte ihre Hand auf seine. Nicht um sie festzuhalten. Nur um zu sagen: Ich bin noch da.
„Ich will nicht mehr. Aber ich will, dass du es nie vergisst.“
Dann: „Du gehst. Aber ich bleib in dir.“
Er nickte. Einmal. Dann ließ sie seine Hand los.
Er ging zur Tür. Blieb einen Moment stehen. Sah sich nicht um.
Und ging.
Sie räumte später die Tasse ab, spülte sie nicht. Ließ sie im Becken. Ein Rest Tee. Ein Rest von ihm.

Vorgarten – Claras Haus
👤 Clara (63), Tony (53)
️ Datum & Zeit: Samstag, 21. Mai
2011, ca. 18:40 Uhr
Ort: Vor Claras
Haus – ruhige Straße, Vorgarten mit Fliederbusch, helles
Abendlicht, die Stille eines frühen Sommerabends
„Ich weiß nicht, ob sie mich gesehen hat. Aber ich habe sie gesehen.“
Das Auto rollte langsam die Straße entlang. Tony fuhr. Tippi saß neben ihm, die Sonnenbrille im Haar, leicht lächelnd. Auf der Rückbank: ein gemeinsamer Bekannter, irgendjemand aus der Kanzlei – sie fuhren zum Essen, wie so oft in letzter Zeit.
Tony sprach kaum. Die Straße war schmal, die Häuser vertraut. Und dann – wie aus dem Nichts – war es da.
Claras Vorgarten.
Er drehte den Kopf nur einen Augenblick. Und da saß sie. Barfuß auf einem Gartenstuhl. Ein Buch auf dem Schoß. Ein Glas Wasser auf dem Tisch. Die Beine überschlagen. Der Blick – gesenkt.
Ein Atemzug lang hielt er den Lenker fester. Fühlte, wie sich sein Brustkorb verspannte. Sie wirkte ruhig. Abwesend. Ganz bei sich.
Er fuhr weiter. Langsam. Niemand sagte etwas.
Er wusste nicht, ob sie ihn gesehen hatte. Kein Blick, kein Nicken, kein Zeichen.
Aber er hatte sie gesehen. Jeden Winkel. Die Haltung. Die Stille.
Und in seinem Kopf blieb ein Satz hängen, leise, hartnäckig, unauslöschlich:
„Du gehst. Aber ich bleib in dir.“
Und er wusste, dass sie da war. Und dass das reichte, um alles in ihm wieder zu ordnen – nur nicht zu löschen.

Tonys Stadtwohnung – Wohnzimmer / Telefonat
👤 Clara (63), Tony (53), Ehemann (65)
️ Datum & Zeit: Sonntag, 25. März
2012, genau 12:30 Uhr
Ort: Tonys Stadtwohnung
– Wohnzimmer, alter Holzstuhl am Fenster, tickende Uhr,
Frühlingssonne auf dem Parkett
Zitat: „Sag ihr einfach, dass ich dran gedacht habe.“
Tony saß auf einem alten, schlichten Holzstuhl. Die Lehne wackelte leicht. Er hatte ihn nie repariert. Clara hatte ihm den Stuhl vor Jahren geschenkt. „Weil du nie länger sitzt, als du brauchst.“
Der Kalender auf dem Sideboard zeigte: 25. März. Claras Geburtstag.
Die Uhr zeigte 12:30. Früher war das ihr Zeichen gewesen – ein einmaliges Klingeln am Telefon. Heute war es still.
Er griff zum Festnetztelefon. Das Kabel leicht eingedreht – wie ihre Sätze früher. Die Nummer wählte er langsam. Behutsam. Fast zärtlich.
Freizeichen. Dann: eine Stimme. Männlich. Bekannt.
„Ja, Homburg.“
Tony stockte kurz. Dann: „Guten Tag. Ich wollte Clara zum Geburtstag gratulieren.“
Eine kurze Pause. Dann: „Sie ist nicht da.“ Etwas abwartend. Keine Wärme. Kein Interesse.
„Könnten Sie ihr sagen… dass ich angerufen habe?“
Stille am anderen Ende. Dann: „Wer ist dran?“
Tony zögerte. „Tony.“ Noch ein Moment. „Tony Land.“
Der andere sagte nichts. Dann: „Ich sag’s ihr.“
Tony schluckte. Dann: „Sagen Sie ihr… sie soll zurückrufen.“
Ein Klick. Der Hörer war aufgelegt. Das Gespräch – beendet.
Tony blieb still sitzen. Sah auf den Kalender. Dann auf den Stuhl. Die Sonne wanderte über das Parkett. Lautlos. Unaufhaltsam.
Und irgendwo stand Clara. Vielleicht in ihrer Küche. Vielleicht mit einer Einkaufstüte in der Hand. Vielleicht mit einem Gedanken, der sich später leise in ihr meldete – wie ein Klingeln ohne Ton.
🕯 Fazit
Die stille Phase war nicht der Abgesang. Sie war der Nachhall. Kein Körperkontakt mehr – aber alles vibrierte noch nach. Jeder Ort, jeder Satz, jeder Blick wurde zur Erinnerung. Und diese Erinnerung war nicht weniger echt als ein Orgasmus.
Clara und Tony haben sich in dieser Phase nicht verloren. Sie haben sich nur nicht mehr berührt. Aber sie blieben – in Andeutungen, in Tagen wie dem 25. März, in einer Brille auf dem Fensterbrett oder in einer Tasse Tee, die zu lange stand.
Vielleicht war das sogar der ehrlichste Teil ihrer Beziehung: Ohne Erwartung, ohne Planung. Nur das, was blieb, wenn alles andere nicht mehr nötig war. Das Echo von Nähe. Der Schatten eines Gelächters. Ein stummer Dialog zwischen zwei Menschen, die längst alles gesagt hatten – und genau deshalb schwiegen.
Wer glaubt, dass Liebe endet, wenn der Sex endet – hat nie jemanden wirklich behalten.
🚀 25 Jahre heimliche Affäre – regelmäßig, unersättlich. „Es war echt. Aber es war endlich.“